Magª Heike Podek in Fratz & Co. 07/2017 zum Thema: Hilfe, meine Kinder streiten ständig

„Ich will die Schaufel haben…“ „Nein, ich hatte sie zuerst….“ „Mama, der Kevin lässt mich nicht in Ruhe….“

Kinder streiten im  Durchschnitt alle 12 Minuten….

Und auch wenn Ihnen diese Zahl vielleicht ein bisschen hoch vorkommen mag, belastet wohl kaum ein Thema den Familienalltag mehr, als das ewige Streiten zwischen den Geschwistern. Dies bestätigt auch eine Studie des österreichischen Instituts für Familienforschung.

Wenn ein Paar sich entschließt Eltern zu werden, nicht nur einmal, sondern zweimal, oder dreimal oder mehr… haben sie meist das Bild einer harmonischen Familie vor Augen. Wir sehen die Kleinen miteinander spielen, haben die Vorstellung, dass sie sich gegenseitig helfen und unterstützen – kurz gesagt: zusammenhalten. Und wenn es mal zu Streit kommt, soll dieser schnell geklärt werden.

Das ständig die Fetzen fliegen, noch dazu in einer teils heftigen Lautstärke und wir immer wieder als „Schiedsrichter“ miteinbezogen werden, treibt Eltern oft an den Rand ihrer Kräfte.

Gefühle wie Genervtheit oder Hilflosigkeit kennen die meisten Eltern und fragen sich: „Soll ich mich einmischen oder nicht und wenn ja, was soll ich tun?“

Aber bevor man diese Frage beantworten kann, macht es Sinn sich darüber klar zu werden:

Warum streiten Geschwister eigentlich?

Rangordnung:

Wenn Geschwister streiten geht es oft darum, sich ihres Platzes innerhalb der Familie zu versichern.  

Jedes Familienmitglied hat seinen festen Platz im Familiensystem, der sich aus der Reihenfolge des Hinzukommens ergibt. So sind als erstes die Eltern da, anschließend kommen die Kinder in der Reihenfolge ihrer Geburt. Daraus ergibt sich für jedes Kind sein spezieller Platz mit dazugehörigen (unterschiedlichen) Rechten und Pflichten.

In der Praxis passiert es oft, dass Eltern dazu neigen, diese Ordnung nicht einzuhalten, vor allem wenn die Kinder keinen großen Altersunterschied und/oder das gleiche Geschlecht haben. So wird gerade in diesem Fall sehr auf Gerechtigkeit geschaut, indem den Kindern zum Beispiel genau die gleichen Dinge gekauft, beiden Kindern gleiche Rechte zum Beispiel im Bezug auf Schlafengehen zugestanden werden. Dadurch jedoch wird die natürliche Ordnung gestört und Streitigkeiten provoziert, weil Kinder die Rangordnung dann vermehrt unter sich klären müssen.

Hilfreich kann es in diesem Fall sein, bewusst Unterschiede zwischen den Kindern zu machen: Der/dem Erstgeborenen können mehr Rechte gestattet werden, indem es länger aufbleiben darf, andere Dinge spielen oder im Fernsehen schauen darf.

Konfliktpotential:

Wo Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen aufeinandertreffen sind Auseinandersetzungen unvermeidbar, gerade innerhalb der Familie. Jeder will seine Ziele durchsetzen und trifft dabei oft auf den Widerstand der anderen. Über das Austragen von Konflikten und die emotionale Intensität wird die Wichtigkeit der eigenen Bedürfnisse und Grenzen kommuniziert. Da Geschwister  kaum eine Chance haben sich aus dem Weg zu gehen passiert das sehr oft. Trotzdem müssen sie irgendwie miteinander auskommen.

Oft wird von ihnen erwartet, dass sie sich lieben und teilen – sogar ihre Eltern. Und so sehr wir uns auch ein harmonisches Familienleben wünschen, es ist nicht realistisch und auch nicht fair, dies von unseren Kindern zu erwarten. Auch wenn die Streitereien und Konflikte unangenehm sind, bietet die Geschwisterbeziehung in all ihren Höhen und Tiefen für Kinder eine echte Chance, in die Beziehungserfahrung mit einem anderen Menschen einzutauchen.

Fehlende Strategien:

Viele Kinder, vor allem bis zum 4. Lebensjahr sind in Streitsituationen massiv überfordert. Aufgrund mangelnder Sprachfähigkeit kommt es bei Konflikten entsprechend oft zu körperlichen Auseinandersetzungen. Und obwohl auch die meisten Eltern sich in solchen Situationen hilflos und ohnmächtig fühlen, erwarten sie von ihren Kindern, dass diese die Situation ruhig im Gespräch lösen – ganz schön viel verlangt!

Was aber können Eltern nun tun, um ihre Kinder bei Streitsituationen sinnvoll zu unterstützen?

Entscheiden für die Entwicklung einer gesunden Konfliktfähigkeit ist die elterliche Reaktion auf die Streitigkeiten zwischen den Geschwistern. Durch Vorleben können Sie ihren Kindern folgende Strategie an die Hand geben:

Strategie bei Streit

1. Begleitung notwendig und erwünscht?

Es gibt Eltern, die sich immer direkt einmischen oder sich aus allem “raushalten” und es die Kinder “selbst regeln lassen”. Beides führt nicht zum erwünschten Ergebnis: Einer gesunden und positiven Beziehung der Geschwister untereinander. Aus diesem Grund macht es zuallererst mal Sinn, sich bewusst darüber klar zu werden, ob die Kinder mich gerade brauchen oder ob sie selber einen Weg finden, mit der Situation zurechtzukommen. Denn oftmals geschieht das Einmischen eher aus dem elterlichen Gefühl, sich nützlich machen oder erziehen zu wollen. Sollten Sie also das Gefühl haben, es nicht ertragen zu können, wenn die Kinder miteinander streiten, versuchen Sie einfach die Szenerie zu verlassen (in Abhängigkeit des Alters der Kinder, zum Beispiel in einen anderen Raum gehen, die Türe schließen, spazieren gehen) In vielen Fällen lernen die Kinder besser, je weniger wir uns einmischen.

Wenn Sie jedoch feststellen, dass es den Kindern ohne Unterstützung nicht gelingt, ihren Konflikt konstruktiv zu lösen oder sie sogar gewalttätig werden, dann mischen Sie sich ein und bieten Sie den Kindern ihre Hilfe an.

2. Bewusstwerden der eigenen Rolle

Wenn Sie die Ausgangssituation nicht mit eignen Augen gesehen haben, werden Sie auch nicht sagen können, wer angefangen hat. Und selbst wenn Sie es gesehen haben: Vorsicht vor der Position des Schiedsrichters!

Wenn Sie eine Entscheidung treffen, z.B. wer das Spielzeug um das gestritten wird, haben darf – so fühlt sich der, der es nicht bekommt ungerecht behandelt und sinnt bald auf Rache.

Auch sollten Sie sich darüber bewusst sein, dass wir Erwachsenen oft gar nicht den Kern des Problems erkennen und es somit auch nicht gerecht lösen können. Oder können Sie verstehen, warum um das eine rote Auto gestritten wird, wenn rundherum noch 50 andere Autos, natürlich auch weitere rote liegen? Wie sollen Sie also ein Problem lösen können, was für Sie gar keines ist?

Vielmehr empfehle ich die Rolle eines „Mediators/ einer Mediatorin“ einzunehmen und so zwischen den Kindern zu vermitteln.

3. Stoppen

Ersparen Sie sich halbherzigen Bemerkungen wie „Wollt ihr jetzt einmal aufhören. Ich kann das bald nicht mehr aushalten oder könnt ihr nicht Rücksicht aufeinander nehmen?“

Wenn Sie stattdessen bemerken, dass der Konflikt sehr unkonstruktiv und verbissen ist, warten Sie einen Augenblick und sagen dann: Aufhören! Stopp! Und rufen Sie es so laut, intensiv und mit Nachdruck, bis der Konflikt stoppt und sie die Aufmerksamkeit ihrer Kinder haben.

4. Bedürfnisse erkennen

Wenn der Konflikt gestoppt ist, können Sie den Kindern dabei behilflich sein, die „richtigen“ Worte zu finden, die hinter „ Idiot“ oder „Blödmann“ stecken.

Zunächst macht es Sinn die Bedürfnisse beider Streithähne zu erkennen. Warum streiten sie gerade und was will jeder einzelne? Dazu können Sie ihre Kinder fragen: „Was ist es, was du gerne haben möchtest?“

Höre Sie sich die Antworten von beiden an und verzichten Sie darauf diese zu bewerten.

5. Bedürfnisse kommunizieren + Lösung

Überprüfen Sie ob die Kinder die Antwort des anderen gehört haben und bitten Sie sie eventuell darum, das Ergebnis nochmal zu wiederholen.

Dann fragen Sie beide Kinder: „Was können wir jetzt tun, damit ihr beide zufrieden seid?“ (lenkt Aufmerksamkeit von Vergangenheit in die Zukunft).

Die Lösung bleibt optimaler Weise bei den Kindern, jedoch können Sie als Erwachsener Angebote/ Vorschläge machen, wenn von den Kindern wirklich gar nichts kommt. Meiner Erfahrung nach, sind Kinder jeden Alters unglaublich kompetent darin, Lösungsstrategien zu finden, wenn man sie lässt.

6.Abschluss

Wenn dieser Vorgang abgeschlossen wurde, ist die Aufgabe des Erwachsenen zu Ende.

Die Kinder sind nun mehr selbst und einander bewusst geworden.

Auch wenn diese Art der Konfliktlösung Ihnen vielleicht aufwändig und im Alltag nicht ganz so leicht umsetzbar erscheint, ist es äußerst lohnend, sie in den Familienalltag zu integrieren. Denn auf diese Weise wird nicht nur die Selbständigkeit und Konfliktfähigkeit der Kinder massiv unterstützt, sondern Sie als Eltern können Begleiter für alle Beteiligten sein, ohne dabei übergriffig zu werden.

Ich hoffe, Dir hat mein Artikel gefallen! Besonders ans Herz legen möchte ich Dir meine Artikel zu den Themen Wut und Aggression, Konflikte und Schulprobleme.

Wenn Du Unterstützung bei Erziehungsproblemen suchst, schau Dir mein Angebot an. Egal ob Trotzphase, Pubertät, Schulprobleme, … ich biete Live-Coaching, eMail-Coaching und eMail-Kurse als Hilfestellung an. Die eMail-Kurse zu den Themen „Trotzphase“ und „Hilfe- mein Kind will nicht hören“ sind besonders beliebt.

Du kannst mir natürlich auch direkt schreiben und ich freue mich auch über Feedback zu meinem Artikel!

Deine Heike

Heike Podek | Erziehungswissenschaftlerin, Coach und Gründerin von beziehungsorientiert.at

Ich glaube, dass Erziehung ohne den Einsatz von Angst und Macht funktionieren kann. Ich will ich einen beziehungsorientierten Umgang mit meiner Familie leben, in der sowohl die Bedürfnisse unserer Kinder, als auch unsere elterlichen Bedürfnisse Platz und Raum haben.

Heike Podek | Erziehungswissenschaflerin, Coach und Gründerin von beziehungsorientiert.at

Ich glaube, dass Erziehung ohne den Einsatz von Angst und Macht funktionieren kann. Ich will ich einen beziehungsorientierten Umgang mit meiner Familie leben, in der sowohl die Bedürfnisse unserer Kinder, als auch unsere elterlichen Bedürfnisse Platz und Raum haben.