Magª Heike Podek in der Fratz & Co 06/2015 zum Thema: „Handysüchtig?“

Moritz Augen fixieren das Handy, die Finger kleben auf der Tastatur: Telefonieren, chatten, mailen, Musik hören, Spielen…
Dank Email , What’s App, Facebook und Co. ist er ständig erreichbar und up to date – egal ob unterwegs, am Weg in die Schule oder Abends vorm Schlafengehen – das Handy ist sein ständiger Wegbegleiter.

Vielen Eltern geht es ähnlich, wie denen von Moritz. Sie sorgen sich und sind verzweifelt, wenn ihre Kinder ständig das Handy in der Hand haben. Immer mehr Jugendliche verlassen das Haus nicht mehr ohne ihr Smartphone, um nichts zu verpassen und permanent verfügbar zu sein.

Geht es Ihnen auch so? Fragen Sie sich auch manchmal, ob das noch normal ist oder ob ihr Kind bereits online-süchtig ist?

Acht von 10 Haushalten in Österreich haben mittlerweile Zugang zum Internet. Das Kommunizieren übers Handy gehört zu unserem Leben und damit auch für viele Kinder und Jugendliche zum Alltag.

Aber was tun unsere Kinder eigentlich die ganze Zeit mit ihrem Handy?

Viele Kinder und Jugendliche präsentieren sich in sozialen Netzwerken wie Facebook, Pinterest, You Tube u.ä., um sich mit anderen auszutauschen, Fotos und Videos zu teilen, neue Kontakte zu knüpfen und gemeinsam Spiele zu spielen.

Darüber hinaus kommunizieren sie per sms, Chat oder What’s App mit Freunden und Bekannten – teilweise sogar in Gruppen.

Auch Musik und Videos werden vielfach übers Netz geladen und gehört bzw. angeschaut.

Was ist noch normal?

Wie die Eltern von Moritz haben viele Eltern das Gefühl, dass ihre Kinder nur mehr im Handy leben und sonst kaum noch anwesend sind, weil sie ständig mit dem Handy kommunizieren. Meist sind dies aber nur Phasen, in denen die Kinder so gefesselt sind, dass sie ihre gesamte Zeit dieser Tätigkeit widmen und auf alles andere vergessen. Diese Phasen, die von Eltern oft als Vorstufe zur Sucht eingestuft werden, verschwinden meist nach ein paar Wochen oder Monaten wieder von selbst. Die tägliche vielseitige Nutzung des Handys gehört zum Alltag von Kindern und Jugendlichen und es handelt sich dabei in der Regel um eine „normale“ Nutzung – denn nicht die Dauer und Intensität der Handynutzung entscheiden über Sucht oder Nicht-Sucht, sondern eher die Gründe, die jemanden dazu bringen, soviel Zeit am Handy/ im Internet zu verbringen.

Anhand dieser 5 Kriterien können Sie erkennen, dass ihr Kind Gefahr läuft, eine Sucht zu entwickeln

  • Die Gedanken ihres Kindes kreisen ständig um Handy und Internet und das auch, wenn es anderen Beschäftigungen nachgeht.
  • Das Freizeitverhalten ihres Kindes verändert sich nach und nach. Anstatt sich mit Freunden zu treffen, Sport zu machen oder seinem bisherigen Hobby nachzugehen, verbringt es nur noch Zeit am Handy und im Internet
  • Die Leistungen in Schule und Beruf leiden zunehmend. Es kommt zu Konzentrationsproblemen, Vergesslichkeit, Lern- und Leistungsstörungen sowie Müdigkeit.
  • Die Schlaf – und Ernährungsgewohnheiten ihres Kindes verändern sich massiv. Anstatt abends ins Bett zu gehen steckt ihr Kind  bis tief in die Nacht mit seinem Handy unter der Decke. Mahlzeiten werden vergessen oder ausgelassen, weil das Handy wichtiger ist.
  • Ihr Kind kann sich nicht vorstellen, ohne Handy zu leben. Es bekommt sogenannte Entzugssymptome, wie Angst, Panik, Nervosität, Zittern etc., wenn es das Handy abgeben muss oder der Akku leer ist.

Sollten sie bei ihrem Kind über einen längeren Zeitraum diese Symptome bemerken, ist es ratsam, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Doch auch wenn nicht gleich von Sucht die Rede  ist, treibt viele Eltern der Umgang ihrer Kinder mit dem Handy in den Wahnsinn und sie fragen sich, was sie tun können.

Argumente und Erklärungen stoßen bei den Kindern auf taube Ohren, das Ausmachen von Handyzeiten bzw. handyfreien Zeiten ist oft sehr nervenaufreibend und mühsam und Verbote funktionieren auch nicht wirklich.

Was aber soll ich nun als Elternteil tun, wenn mir das ständige Hantieren meines Kindes mit dem Handy auf die Nerven geht?

Eine frühe Medienerziehung liegt ganz klar im Verantwortungsbereich der Eltern. Wichtig in diesem Zusammenhang ist es, nicht erst einzuschreiten, wenn die Jugendlichen in der Pubertät sind und sich nichts mehr sagen lassen (wollen), sondern von Anfang an, als Vorbild und Beziehungspartner im Umgang mit Medien zur Verfügung zu stehen.

Erfahrungsgemäß ist es sinnvoll bereits sehr früh damit zu beginnen. Bereits Kleinkinder machen frühe Erfahrungen mit Fernsehen und Spielen am Tablet. Die digitalen Medien sind heutzutage kaum wegzudenken und werden von den Herstellern bewusst oft so einfach konzipiert, dass sie bereits von Kinderhand intuitiv bedient werden können. Diese frühe Heranführung an die neuen Medien hat viele Vorteile, dennoch ist ein verantwortungsbewusster Umgang unerlässlich.

Leider nutzen viele Eltern allerdings die digitalen Medien nicht zum Nutzen ihres Kindes sondern lediglich zu ihrem eigenen:

„Maria sitzt mit ihrer Tochter Lisa (3) beim Arzt im Wartezimmer. Lisa quengelt und zerrt immer wieder an Mamas Jacke. Die anderen Leute schauen immer wieder zu Maria und Lisa herüber. Maria ist das unangenehm, weil sie das Gefühl hat, Lisa stört sie. Nachdem gutes Zureden nicht funktioniert, zieht sie ihr Handy aus der Tasche und gibt es Lisa. Diese strahlt, setzt sich bei ihrer Mama auf den Schoß und tippt zufrieden auf dem Handy herum.“

Um einen Moment Ruhe zu haben, nicht gestört zu werden, den Blicken anderer Leute zu entgehen o.ä. drücken wir unserem Kind schnell das Handy in die Hand – Spiele und Apps dienen uns dann als Babysitter.

Kurzfristig oder auch in einer Situation, wie bei Maria und Lisa beschrieben nachvollziehbar und praktisch, bringt eine regelmäßige Ruhigstellung des Kindes klare negative Folgen mit sich:

Beim Hantieren mit dem Handy, dem Anschauen von Videos, kleinen Filmen oder dem Spielen fehlt Kleinkindern die Beziehung. Anstatt im gegenseitigen Austausch ihre Reaktionen in Beziehung zu einem Gegenüber bringen zu können, sind die Kinder mit ihren Eindrücken allein. Die Gefühle und Emotionen, die sich beim Anschauen/ Spielen einstellen werden weder gespiegelt noch kommentiert, sondern sie sind vollkommen sich selbst überlassen.

Wenn hier nicht frühzeitig eingeschritten wird und das Kind in einen lebendigen Kontakt und eine lebendige Beziehung geholt wird, wirkt sich das spätestens in der Pubertät oft fatal aus.

Jugendliche in diesem Abschnitt der Autonomiephase stellen sich die klassischen Fragen: Wer bin ich, wo komm ich her und wo will ich hin und sind durch Hormone, die Umstellung des Körpers und ihre Zunehmende Unabhängigkeit von den Eltern oft verunsichert.

Hinzu kommt in dieser Phase, in der die Peergroup eine zentrale Rolle einnimmt, die Angst vorm anders und allein sein davor nicht dazuzugehören. Genau hier wirkt das Handy zum einen mit seiner dauernden Erreichbarkeit entgegen. Zum Anderen gaukeln soziale Netzwerke, in denen sie mit unzähligen Menschen „befreundet“ sein können, Jugendlichen vor, nicht allein zu sein, sondern zu einer Gemeinschaft dazuzugehören.

Sowohl hier, als auch in einer Vielzahl von Internetspielen, erhalten Jugendlichen die Möglichkeit, sich idealisiert darzustellen, einen Idealmenschen zu erschaffen, abzutauchen, Frust und Realität hinter sich zu lasen und scheinbar alles unter Kontrolle zu haben.

3 Tipps für Eltern im Umgang mit ihren „Handyverrückten“ Kindern

  • Hinterfragen Sie ihren eigenen Umgang mit den sozialen Medien und seien sie ihrem Kind von Beginn an ein Vorbild.
  • Treten Sie in Beziehung zu ihrem Kind und versuchen sie zu verstehen, was ihr Kind so fasziniert und so begeistert. Ermutigen Sie es, Anwendungen und Inhalte kritisch zu hinterfragen und lassen sie sich auf Diskussionen und konstruktive Gespräche ein.
  • Setzen sie nicht irgendwelche vermeintlich pädagogischen Regeln und Grenzen, sondern finden sie heraus, wo ihre persönlichen Grenzen liegen und formulieren sie diese klar. Wenn Sie also z.B. genervt sind, dass ihr Kind beim Essen mit dem Handy rumtut, stellen sie nicht ein „Handyverbot bei Tisch“ auf, denn das wäre Machteinsatz und würde vermutlich zu mehr Stress und Streit führen. Sagen sie stattdessen sehr klar, dass sie das Handy beim Essen stört: „Mich nervt es, wenn du beim Essen dauernd mit deinem Handy rumtust. Ich will in Ruhe essen und das du das Handy in dieser Zeit weglegst.“ Viele Kinder und Jugendlichen respektieren solche klaren Bedürfnisse ihrer Eltern. Sollte dies bei ihnen nicht der Fall sein, fragen sie ihr Kind, was es will. Bei einem gegensätzlichen Bedürfnis haben sie einen Konflikt und können sich mit ihrem Kind bemühen, einen Kompromiss bzw. eine Lösung zu erarbeiten, die für beide passt.

Ich hoffe, Dir hat mein Artikel gefallen! Besonders ans Herz legen möchte ich Dir meine Artikel zu den Themen Wut und Aggression, Konflikte und Schulprobleme.

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Du kannst mir natürlich auch direkt schreiben und ich freue mich auch über Feedback zu meinem Artikel!

Deine Heike

Heike Podek | Erziehungswissenschaftlerin, Coach und Gründerin von beziehungsorientiert.at

Ich glaube, dass Erziehung ohne den Einsatz von Angst und Macht funktionieren kann. Ich will ich einen beziehungsorientierten Umgang mit meiner Familie leben, in der sowohl die Bedürfnisse unserer Kinder, als auch unsere elterlichen Bedürfnisse Platz und Raum haben.

Heike Podek | Erziehungswissenschaflerin, Coach und Gründerin von beziehungsorientiert.at

Ich glaube, dass Erziehung ohne den Einsatz von Angst und Macht funktionieren kann. Ich will ich einen beziehungsorientierten Umgang mit meiner Familie leben, in der sowohl die Bedürfnisse unserer Kinder, als auch unsere elterlichen Bedürfnisse Platz und Raum haben.