Magª Heike Podek in der Fratz und Co 01/2017 zum Thema „Was ist bloß mit unseren Kindern los?“

Hauen, beißen, treten, schimpfen, schreien…

Aggression hat viele Gesichter und scheint in unserer Gesellschaft inzwischen alltäglich geworden zu sein. Im Kindergarten werden Kinder gebissen, in der Schule gemobbt und auch zu Hause werden Eltern von ihrem Nachwuchs gehauen. Aber nicht nur bei unseren Kindern beobachten wir Wutausbrüche und Gewalt, sondern auch in unserem Erwachsenenleben scheint sich immer mehr eine „Ellbogengesellschaft“ auszubreiten. Da wird im Straßenverkehr gehupt und gestikuliert, an der Bushaltestelle gerempelt, in Partnerschaften gestritten und geschrien und gedroht.

Warum wird Aggression bekämpft?

Obwohl Konflikte in den meisten Familien an der Tagesordnung stehen und Wutszenen für die meisten Menschen nichts Ungewöhnliches sind, gilt aggressives Verhalten in unserer Gesellschaft als unerwünscht. Gerade Eltern und PädagogInnen streben vielfach nach einem möglichst harmonischen Zusammenleben ohne Wut und Gewalt und versuchen daran zu arbeiten, Kinder zu netten, höflichen und angepassten Menschen zu erziehen – auch wenn sie selbst dazu  widersprüchlicherweise manchmal aggressive und gewalttätige Methoden anwenden. Aggressionen gehören zu unserem Leben. Ihre Auslöser sind so vielfältig wie das Leben selbst. Ein Leben ohne Konflikte und Aggression ist nicht möglich. Leider wird Aggression allerdings sehr negativ besetzt, obwohl das Wort von seiner Ursprungsbedeutung (agrere) eigentlich etwas Positives meint, nämlich „an etwas herangehen“. Der Grund warum Aggression so massiv abgelehnt wird, liegt tief begründet in unserer Angst vor ihr.  Wir glauben, dass Aggression unweigerlich zu Gewalt und diese dann schließlich zu antisozialem Verhalten und in Folge zu emotionalen und körperlichen Verletzungen (sogar zu Krieg) führt. Deshalb distanzieren wie uns gleich zu Beginn von der Aggression und machen aus ihr ein Tabu. Dabei übersehen wir allerdings ihre konstruktive Seite. Denn ohne Aggression wären wir nicht dazu in der Lage, uns Ziele zu setzen und diese zu verfolgen, wir könnten keinen guten Sex haben, würden nicht den Kampf gegen schwere Krankheiten auf uns nehmen, unsere Kinder beschützen, unsere eigenen Grenzen bestimmen und unsere Träume verwirklichen. Destruktiv ist Aggression nur dann, wenn wir sie in Form von Gewalt an anderen und/oder deren Eigentum auslassen.

Wie viel Aggression ist normal und wann ist es zu viel?

Aggression ist also genauso wie Liebe ein ganz normaler Bestandteil unseres Lebens, der unsere Beziehungen und unsere Lebensqualität entscheidend bereichern kann. Dazu ist es notwendig, sie in unser Leben zu integrieren und sie konstruktiv zu nutzen. In meiner Praxis erlebe ich oft Eltern, die sich in der sogenannten „Trotzphase“ ihres Kindes Sorgen machen, weil die heftigen Wutanfälle einhergehen mit Beißen, Zwicken oder Hauen. In der Regel hat dieses Verhalten aber nichts mit Aggressionen im engeren Sinne zu tun sondern ist Ausdruck der Frustration die Kinder in dieser Zeit erleben und mit Worten noch nicht ausdrücken können.

Eines der Grundbedürfnisse von uns Menschen ist es, im Leben anderer wertvoll zu sein. Aus diesem Grund werden aggressive Emotionen immer dann mobilisiert, wenn wir uns nicht als so wertvoll für den anderen Menschen empfinden, wie wir das gerne hätten. So zuckt die kleine Maria (5) z.B. jedes Mal aus, schreit und beschimpft ihre Mutter, wenn diese sie in einer Konfliktsituation beim Sprechen unterbricht. Das „Nicht-Ausreden-Lassen“ führt bei Maria zu einem Gefühl für ihre Mama nicht wertvoll zu sein, denn wer wertvoll ist, dem wird auch zugehört und in Folge zu einer aggressiven Reaktion. Die Frage, wann Aggression zu viel ist, lässt sich nur schwer beantworten, gerade auch deshalb, weil Menschen mit unterschiedlichem Temperament ausgestattet sind. Wenn aber Kinder mit Unterstützung ihrer Eltern keine Wege aus der destruktiven Aggression finden oder beginnen sich selbst und andere zu verletzen, kann es häufig hilfreich sein, sich Unterstützung zu suchen. Ebenso ist es ein zu viel an Aggressionen, wenn Eltern auf kindliches Verhalten zunehmend aggressiv reagieren, denn die Verantwortung für einen angemessenen Umgang mit Konflikten liegt immer zu 100% bei den Eltern.

Wann sollten Eltern aktiv werden und welche Möglichkeiten gibt es, mit kindlicher Aggression umzugehen?

Für Kinder ist es wichtig, dass ihre Eltern Aggressionen von Anfang an zulassen, ohne sie als „böse“ oder „schlimm“ zu bewerten. In jeder Situation, in der ein Kind wütend ist, weint, schreit, haut, tritt oder beißt, macht es von daher Sinn, hinzuschauen und hinzuhören, denn Kinder geben ihren Eltern damit in der Regel zu verstehen, dass es ihnen gerade nicht gut geht und sie Unterstützung brauchen.

Wie du dein Kind im Umgang mit Aggressionen unterstützen kannst:

Von zentraler Bedeutung im Umgang mit Aggressionen ist, sie in Beziehung zu setzen, d.h.  schicke dein Kind nicht weg und lass es mit seinen Emotionen allein, sondern bleib da und biete dich als Gegenüber an. Die folgenden Tipps unterstützen dich und dein Kind dabei, wenn du sie über einen längeren Zeitraum konsequent anwendest. Sie sind nicht als „Tricks“ misszuverstehen , um dein Kind dazu zu bringen unerwünschtes Verhalten abzulegen, sondern um eure Beziehung zu verbessern und auf diese Weise Aggression in eine konstruktive Richtung zu lenken

Tipp 1: Zeig Interesse an deinem Kind und seinen Gefühlen

Gerade in Gesprächen über Aggressionen und Gewalt, verfallen viele Eltern ihren Kindern gegenüber in das Muster einer Anklage: Sie stellen Fragen, wie z.B.: „Warum hast du das gemacht? Warum haust du deinen Freund? Warum schimpfst du den Lehrer?“ und erwarten Antworten. Entweder erhalten wir als Reaktion darauf nur ein „Weiß ich nicht“ oder bestenfalls eine Antwort, die uns nicht wirklich dabei hilft, zu erfahren, was im Kopf des Kindes vor sich geht. Anstatt also Fragen zu stellen, versuch diese durch persönliche  Aussagen zu ersetzen, wie z.B.: „Mir ist aufgefallen, dass du im Kindergarten die Julia öfter ärgerst. Ich glaube, dass dich irgendwas stört und ich würde gerne wissen, was das ist.“ Auf diese Weise lädst du dein Kind ein, dir zu erklären, was los ist ohne sein Verhalten als negativ zu bewerten. Darüberhinaus schenkst du deinem Kind das Gefühl, dass sich jemand wirklich interessiert.

Tipp 2: persönliche Klarheit

Wenn du mit deinem Kind sprichst, vermeide von Anfang an Sätze zu verwenden, die mit „Du“ oder „Man“ beginnen. Schnell sagen wir etwas, wie: „Das tut man nicht.“ „Du sollst nicht hauen.“ „Man darf andere Kinder nicht beißen.“ Diese Sätze aber bewerten das kindliche Verhalten als schlecht und stellen keine Beziehung zwischen dir und deinem Kind her. Die ist aber wichtig, damit dein Kind lernt, was sein Verhalten auf andere Menschen – in diesem Fall auf dich für Auswirkungen hat, was dir gefällt und was nicht, was dir wichtig ist und was nicht. Bleib ihm gegenüber authentisch und drücke dich persönlich aus. Verwende Sätze, die mit „Ich“ beginnen und deine persönliche Reaktion beinhalten, wie z.B.: „Ich will nicht, dass du mich haust, das tut mir weh. Hör auf damit.“ Deinem Kind wird auf diese Weise klar, wer du bist und welches deine persönlichen Grenzen sind – das schafft eine vertrauensvolle Beziehung zueinander und weckt die Fähigkeit das eigene Handeln zu reflektieren.

Tipp 3: Empathie

„Empathie ist das Gegengift zur Aggression“ so die Wissenschaft. Die Fähigkeit zur Empathie ist zwar angeboren, aber sie muss sich erst entwickeln, bis sie ca. im Altern von 4-5 Jahren in Kraft tritt. Um sie zu fördern kannst du als Elternteil einiges machen: Sei deinem Kind ein Vorbild, indem du ihm geduldig zuhörst, es tröstest und in seinen Emotionen begleitest. Erlaube deinem Kind zudem, seine Gefühle zu erfahren und sie auszudrücken. Letztendlich unterstützt es dein Kind, Emotionen und Reaktionen von unterschiedlichen Menschen (Verwandte, Freunde) kennenzulernen, so dass es die Erfahrung macht, dass andere Menschen dieselben Gefühle oder eben auch andere haben, wie es selbst.

Wann sollte man einen Experten zu Rate ziehen?

Immer dann, wenn sich Fronten verhärten und ein Gespräch schwierig ist, kann es sinnvoll sein, sich Unterstützung von einer/einem ExpertIn zu holen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Mütter oder Vater eine steigende Wut und Aggression gegenüber ihren Kindern empfinden und merken, dass sie dadurch oft unfair und unangemessen auf kindliches Verhalten reagieren. Das hat dann nicht selten mit eigener Überforderung, Ohnmacht oder einem nicht konstruktiven Umgang mit den eigenen Aggressionen zu tun. Ein guter Anhaltspunkt, um rauszufinden, ob dies der Fall ist, ist sich zu überlegen, ob ich in der gleichen Art und Weise auf mein Kind reagiert hätte, wenn ich in der Situation gelassen und ruhig gewesen wäre. Ist dies nicht der Fall, macht es Sinn, an seinen eigenen Gefühlen zu arbeiten.

Ich hoffe, Dir hat mein Artikel gefallen! Besonders ans Herz legen möchte ich Dir meine Artikel zu den Themen Wut und Aggression, Konflikte und Schulprobleme.

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Du kannst mir natürlich auch direkt schreiben und ich freue mich auch über Feedback zu meinem Artikel!

Deine Heike

Heike Podek | Erziehungswissenschaftlerin, Coach und Gründerin von beziehungsorientiert.at

Ich glaube, dass Erziehung ohne den Einsatz von Angst und Macht funktionieren kann. Ich will ich einen beziehungsorientierten Umgang mit meiner Familie leben, in der sowohl die Bedürfnisse unserer Kinder, als auch unsere elterlichen Bedürfnisse Platz und Raum haben.

Heike Podek | Erziehungswissenschaflerin, Coach und Gründerin von beziehungsorientiert.at

Ich glaube, dass Erziehung ohne den Einsatz von Angst und Macht funktionieren kann. Ich will ich einen beziehungsorientierten Umgang mit meiner Familie leben, in der sowohl die Bedürfnisse unserer Kinder, als auch unsere elterlichen Bedürfnisse Platz und Raum haben.